Nachlese NeujahrsEmpfang 2018 des Forum Einkauf im ÖPWZ
„Lieferantenreduzierung war gestern, die Zukunft heißt Vielfalt!“ Lieferantenmanagement im digitalen Zeitalter – unter diesem Motto stand der diesjährige
NeujahrsEmpfang des Forum Einkauf im ÖPWZ am 25. Jänner 2018
im Haus der Industrie in Wien.
Mag. Andreas Prenner, Bereichsleiter Personal, Finanzen und Organisation der Industriellenvereinigung und Präsident des ÖPWZ,
begrüßte die zahlreichen Gäste im Haus der Industrie, dem traditionsreichen Bauwerk am Wiener Schwarzenbergplatz, in dem Zukunftsthemen eine große Rolle spielen. Nicht unerwähnt ließ Mag. Prenner,
dass hier ein Paternoster seit Kaiser Franz Josephs Zeiten seine Runden dreht, ein Zeichen dafür, dass Beständigkeit und Innovation nicht im Widerspruch zueinander stehen.
Bibiane Sibera, Generalsekretär Forum Einkauf im ÖPWZ, skizzierte in ihrer Einleitung das Motto des NeujahrsEmpfangs: Wie wirkt sich
die Digitalisierung in den Unternehmen auf die Beziehungen mit Lieferanten aus? Welche Wege werden im Lieferantenmanagement künftig beschritten, welche neuen Ideen entstehen? Wie können sich
EinkäuferInnen und Lieferanten gegenseitig unterstützen, um gemeinsam die Herausforderungen der dynamischen Märkte und Technologien zu meistern?
Diese Fragen griff Dr. Marcell Vollmer, Senior Vice President, Chief Digital Officer, SAP Ariba, in seiner Keynote auf, um gleich mit einer
prägnanten Aussage einzusteigen: „Humans interact with robots“ – dieses Prinzip verändert unsere Umwelt, unser Handeln derzeit rasant, das Tempo wird allerdings nicht bei uns vorgegeben.
Erst kürzlich aus den USA, namentlich dem Silicon Valley zurückgekehrt, konstatierte er: Deutschland hängt bei der Digitalisierung zurück. Während man dort gerade über die nächste Generation von
Dieselmotoren nachdenkt, testet man in Dubai selbstfliegende Drohnen zum Passagiertransport. Der eben in den USA eröffnete kassenlose Supermarkt Amazon Go zeigt, wohin die Reise – nicht nur –
im Einzelhandel geht: Bequemlichkeit für den Kunden verbunden mit Generierung von Daten, mit denen Innovation weiter vorangetrieben wird. Das Smartphone hat unser Leben, unsere Arbeit, unseren
Medienkonsum, unsere Art zu kommunizieren in unglaublich kurzer Zeit massiv verändert. Die Vernetzung über Plattformen und Cloud-Dienstleister spielt dabei eine wesentliche Rolle. Es hat seine Gründe,
warum Unternehmen wie Apple, Amazon oder Alibaba so hoch bewertet sind, denn dort geschieht die „disruptive Innovation“ – die auch SAP mit innovativen Lösungen vorantreibt und unterstützt, für die
Kunden und gemeinsam mit ihnen.
Der Einkauf hat dabei für Marcell Vollmer die beste Ausgangsposition, denn kaum eine andere Unternehmensfunktion kann sich einen derartigen Gesamtüberblick
über das Unternehmen und sein Geschäftsmodell verschaffen. Hier liegt die große Chance, nicht nur zum Begleiter der Veränderung, sondern sogar zum Treiber der Transformation zu werden –
indem sich der Einkauf seines Wertbeitrags noch mehr bewusst wird und auch gemeinsam mit Lieferanten über Innovationen oder auch völlig neue Wertschöpfungsmodelle nachdenkt. Vernetzung ist dazu
die Voraussetzung, die Komplexität wird im Hintergrund von den Plattformanbietern, wie eben auch SAP Ariba, verwaltet, während die AnwenderInnen heute ohne großen Implementierungsaufwand rasch
einsteigen und sofort produktiv arbeiten können.
Was das konkret bedeutet, erläuterte Alexander Graff, Head of Corporate Business, Schweitzer Fachinformationen, den Marcell Vollmer ergänzend
zu seiner Keynote mit eingeladen hatte: Schweitzer Fachinformationen stellt Unternehmen Informationsprodukte aus einem Katalog von 35 bis 40 Millionen Artikeln zur Verfügung. Früher mussten
die Kunden ein Zugangssystem implementieren, heute registrieren sie sich auf einer Plattform, die von Schweitzer Fachinformationen zur Verfügung gestellt wird, ein Vorgang von wenigen Minuten.
Das alte E-Procurement-System war nicht skalierbar, die Kunden waren gebunden, weil die Migration zu einem anderen Anbieter mühsam war – eine vermeintlich bequeme Situation für den Lieferanten.
Doch das funktioniert heute nicht mehr, die Vernetzung hat die Ansprüche der Kunden verändert, sie sind flexibler, wollen alles schnell und digital, der Lieferant muss dementsprechend serviceorientiert,
aktiv und innovativ sein. „Neues E-Procurement läuft über Netzwerke, wobei das Technische automatisiert im Hintergrund zu laufen hat“, so die Kernaussage von Alexander Graff.
Nach der Keynote und dem kurzen Einblick in ein reales Businessmodell ging es in der nun folgenden Podiumsdiskussion um die Fortsetzung des
Reality-Checks. Moderiert von Mag.a Gabriela Scopp, Safe Exports, Präsidentin Forum Einkauf, diskutierten
Dominik Hecker, Geschäftsführer Xt Hecker GmbH & Co. KG, Harald Jasser, MBA, Geschäftsführer Global Digital Post GmbH,
Dipl.-Ing. Volkmar Schmidt, Einkaufsleiter TRUMPF Maschinen Austria GmbH & Co. KG, Dr. Bernd Schönwälder, Vorstand Mercateo AG, und
Dr. Marcell Vollmer, SAP Ariba, über die Herausforderungen der Digitalisierung für den Einkauf wie für Lieferanten.
Bernd Schönwälder, Mercateo, sieht eine Fragmentierung der Wertschöpfungsketten. Der Innovationsdruck führt dazu, dass Unternehmen mehr Lieferanten
haben; der kritische Faktor dabei ist nicht die Größe des Lieferanten, sondern die Möglichkeit, mit ihm einfach zu kommunizieren. Volkmar Schmidt, TRUMPF, macht in der Praxis die Erfahrung,
dass Lieferantenreduzierung und Erweiterung des Pools parallel laufen. Dominik Hecker sieht für Lieferanten die Notwendigkeit, auf unterschiedlichen Plattformen präsent zu sein.
Speziell im Bereich der C-Teile-Beschaffung ist höchste Flexibilität gefordert. „Die schnellen und flexiblen Anbieter werden die langsam, statisch arbeitenden Anbieter fressen“,
darin ist sich das Podium einig. Für Lieferanten stellt sich die Präsenz auf unterschiedlichen Plattformen allerdings oft als schwierig dar, Vollautomatisierung wäre ideal, ist aber nur unter
hohem Aufwand umzusetzen. Für Marcell Vollmer ist es jedoch in Zukunft egal, welches System dahinterliegt, User aller Größenordnungen können eingebunden werden, selbst als KMU mit wenigen
Geschäftsfällen wird dies möglich sein, da die Rechnungslegung beispielsweise per E-Mail-Schnittstelle erfolgt, ohne Notwendigkeit, sich mit dem System im Hintergrund zu befassen.
Von diesen technischen Fragen zum Thema Zukunft des Lieferantenmanagements ist der Weg nicht weit zur Frage, wie bei all der erwünschten
und sinnvollen Automatisierung künftig die Beziehungen mit den Lieferanten auf der zwischenmenschlichen Ebene aussehen werden. Dass diese nicht ersetzt werden können, steht für
die Diskutanten außer Frage. Und daher ist für Bernd Schönwälder, Mercateo, auch das Thema Artificial Intelligence insofern überbewertet, als es weiterhin und verstärkt Menschen
braucht, die mitdenken. In der Vernetzung mit Lieferanten liegt für ihn die Möglichkeit höchster Wertschöpfung – dann nämlich, wenn Menschen die Köpfe zusammenstecken und in Form
von Co-Creation gemeinsam etwas schaffen. Dominik Hecker spricht dem Einkauf hierbei die wichtige Funktion des Netzwerkmanagers zu. Aus seiner Sicht bekommt auch der operative Einkauf
vermehrt strategische Komponenten – denn künftig wird es immer wichtiger sein, die Prozesse im Einkauf sauber auszugestalten. Nicht zuletzt, um Routine-Aufgaben mehr und mehr
zu automatisieren, über unsichtbare Systeme im Hintergrund, die wahren Roboter nämlich, die selbstlernend und über Algorithmen den Einkauf im Tagesgeschäft entlasten.
Marcell Vollmer kann sich sogar vorstellen, dass der operative Einkauf mehr oder weniger verschwindet, was wiederum Ressourcen für Innovation freispielt.
Bernd Schönwälder, der nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch Psychologe ist, schließt hier an und betont, dass sich Unternehmen
beim Digitalisierungsprozess verstärkt um den Menschen kümmern müssen. Besonders im Einkauf sei das Beziehungsmanagement extrem wichtig. „Der Kunde muss ein gutes Gefühl bekommen“,
ergänzt Dominik Hecker. Gefühl, Vertrauen spielt eine große Rolle: „Dass das Paket aus Qualität, Service und Preis passt, wird ohnehin vorausgesetzt.“
Für Harald Jasser, Global Digital Post, steckt allein schon in der unternehmensintern immer wieder gehörten Aufforderung „Verärgert mir den Lieferanten nicht!“ der Hinweis
auf die enorm wichtige Beziehungskomponente im Tagesgeschäft.
Stimmt die Beziehung, besteht die Chance, die Wertschöpfung zu erhöhen, ist Bernd Schönwälder von Mercateo überzeugt. Das passiert selbst bei
vermeintlich langweiligen Produkten. Beispielsweise durch die einfache Frage: „Was macht der Kunde eigentlich mit meinem Klebeband?“ Daraus können sich spannende Service-Antworten
ergeben, die beiden Geschäftspartnern ganz neue Perspektiven eröffnen können. Die Basis für Co-Creation: miteinander sprechen, einander zuhören, mitdenken, auch und nicht zuletzt im B2B.
Das Fundament für das alles: saubere Daten. Diese sind die neue Währung. Und hier ist noch viel zu tun, denn die Qualität der Daten lässt
einen reibungslosen Datenaustausch über unterschiedliche Schnittstellen hinweg noch nicht flächendeckend zu. Hier ist noch viel zu tun, was sich auch vermehrt in den Anforderungsprofilen
niederschlägt. Der Einkäufer, die Einkäuferin wird zunehmend mit Datenmanagement zu tun haben, IT-Kenntnisse sind unerlässlich, ebenso die Bereitschaft, sich ständig weiterzubilden und sich
mit den grundlegenden Unternehmensfunktionen sowie innovativen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. Und nicht zuletzt die Fähigkeit, die Chancen, die sich für den Einkauf in Zeiten
der Transformation ergeben, zu erkennen und zu ergreifen.
Das Fazit an diesem inspirierenden Abend: Lieferantenreduzierung war gestern, die Zukunft heißt Vielfalt! Vorausgesetzt, die Prozesse laufen
ohne Reibungsverluste. Den Weg dahin ebnen Automatisierung und digitale Plattformen, die unsichtbar im Hintergrund arbeiten und über intelligente Systeme die Komplexität für die
AnwenderInnen reduzieren, flexibel auf die Bedürfnisse von Lieferanten wie Kunden reagieren und diese von Routinetätigkeiten entlasten. Dies schafft Raum für Beziehungsmanagement
von Mensch zu Mensch, auch und gerade im B2B. Denn die Grenzen zwischen Lieferanten und Kunden verschwimmen immer mehr, Innovation und Wertschöpfung finden an der Schnittstelle Mensch statt,
die für Ideen in alle Richtungen durchlässig ist.
Das anschließende Neujahrsbuffet bot die Gelegenheit zum fachlichen Austausch und zu interessanten Gesprächen und damit zu Beziehungsmanagement
und Networking im besten Sinne.